Hamburg. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) steht kurz vor einem internen Machtkampf, der die junge Partei vor ihre bisher größte Zerreißprobe stellt. Am vergangenen Wochenende gründeten sieben Mitglieder in Hamburg eigenständig einen Landesverband, ohne den Segen des Parteivorstands. Damit formiert sich in der Hansestadt ein lokaler Ableger der Partei, der laut BSW-Führung jedoch nicht anerkannt wird. Für Parteichefin Sahra Wagenknecht droht dies zu einem ernsthaften Problem zu werden.
Der frisch gegründete Landesverband, der sich „Bündnis für Vernunft und Gerechtigkeit“ nennt und bewusst auf den Namen Wagenknechts verzichtet, stellt sich offen gegen die Kontrolle des Berliner Parteivorstands.
Damit könnte es am kommenden Wochenende zu einer kuriosen Situation kommen: Zwei konkurrierende Landesverbände des BSW in Hamburg.
Der Zündstoff hinter der Rebellion
Der Hintergrund der Rebellion ist die ungewöhnliche Struktur der Partei, die ganz auf Namensgeberin Sahra Wagenknecht zugeschnitten ist. Wer Parteimitglied wird, entscheidet der Parteivorstand zentral in Berlin, was die Aufnahmepraxis für viele Unterstützer frustrierend gestaltet. Die Landesverbände, die sich über Monate hinweg in den anderen Bundesländern gegründet haben, entstanden oft schleppend. Hamburg war der letzte noch ausstehende Landesverband, und genau hier spitzte sich der Konflikt zu.
Besonders brisant: Eigentlich war die offizielle Gründung des Hamburger Landesverbands für den kommenden Samstag, den 21. Dezember, angesetzt. Doch durch den Vorstoß von Weber und Lazić könnte die Partei jetzt in einem bundesweit einzigartigen Szenario stecken – mit zwei Landesverbänden, die sich gegenseitig den Status streitig machen. Dies könnte auch die Wahlkampfstrategie des BSW empfindlich stören. Listen mit Bundestagskandidaten könnten ungültig werden, und die Autorität des Bundesvorstands steht infrage.
Parteitag durch Mietstreit geplatzt
Am vergangenen Sonntag sollte der offizielle Gründungsparteitag des Hamburger Landesverbands stattfinden. Doch unerwartete Probleme führten zur kurzfristigen Absage: Die Alevitische Gemeinde Hamburg, in deren Räumen der Parteitag stattfinden sollte, kündigte plötzlich den Mietvertrag. Grund dafür war offenbar, dass der Mieter, ein BSW-Mitglied, die Gemeinde nicht über die parteipolitische Veranstaltung informiert hatte. Als die Gemeinde dann auch noch in der Einladung zur Veranstaltung erwähnt wurde, fühlte sich der Vermieter übergangen.
Kurzerhand verschob der Bundesvorstand den Parteitag auf den 21. Dezember – ein Schritt, den Weber und Lazić als „satzungswidrig“ kritisieren. Ihrer Meinung nach habe der Bundesvorstand damit das Chaos bei der Gründung mitzuverantworten, da nicht alle Mitglieder über den neuen Ort informiert wurden. Die Rebellen organisierten jedoch einen Ersatzraum und gründeten dort mit sieben Mitgliedern den umstrittenen Landesverband, ohne den Bundesvorstand zu informieren.
Ein parteiinterner Machtkampf
Der Bundesvorstand betrachtet die Gründung als „nichtig“ und verweist darauf, dass sie nicht abgesprochen und damit satzungswidrig sei. Doch Weber und Lazić haben auch hier vorgesorgt: Sie setzten ein eigenes Schiedsgericht ein, bei dem Lazić selbst als Schiedsrichter fungiert. Damit bleibt die Frage offen, wie der Bundesvorstand auf den ungewollten Landesverband reagieren wird. Ein juristischer Streit scheint unausweichlich.
Diese Entwicklung bringt die Partei in eine prekäre Lage. Sie zeigt die internen Spannungen und das Ringen um die Kontrolle, das schon nach knapp einem Jahr Parteigeschichte zu einem ernsten Problem geworden ist. Während Parteichefin Wagenknecht weiterhin die Zügel straff in der Hand halten will, formiert sich in den Landesverbänden Widerstand – und besonders in Hamburg könnte dieser bald eine Sprengkraft entwickeln, die weit über die Hansestadt hinaus reicht.
Für das Bündnis Sahra Wagenknecht ist es der erste große Test ihrer inneren Geschlossenheit. Ob es gelingt, den Machtkampf in Hamburg zu entschärfen, oder ob er das Bündnis dauerhaft schwächen wird, bleibt abzuwarten. Klar ist: Das junge BSW steht am Scheideweg.